Werner erzählte mir an diesem Abend sehr viel von seinem Bekannten Chien Kok Kheong und dass dieser der Neffe des Großmeister Chin Muk Sun ist. Werners Idee war es, einmal bei einem Training in Malaysia dabei zu sein, um die Unterschiede im Training zu sehen. Irgendwann in der Zukunft würde man dann einmal nach Malaysia fahren. Nach fünf Minuten haben wir dann zusammen beschlossen, die Abenteuerreise schon vier Monate später anzutreten.
Am 1. Mai 2011 betraten wir malaysischen Boden auf dem Flughafen Kuala Lumpur. Die Temperaturen betrugen 32 Grad bei einer hohen Luftfeuchtigkeit. Wir wurden von Chien Kok Kheong vom Flughafen abgeholt. Die Freude war sehr groß, da man sich schon sehr lange nicht mehr gesehen hat. Nachdem man dann sein Auto wiedergefunden hatte – das war an diesem Flughafen nicht so einfach – fuhren wir dann in die Stadt Seremban.
Seremban befindet sich 60 km von Kuala Lumpur entfernt. Die Stadt besitzt eine gute Infrastruktur und wird von seinen Bewohnern sehr gepflegt und sauber gehalten. Zudem ist die Stadt kein Touristenzentrum. Der Anteil der chinesischen Bevölkerung liegt hier bei mindestens 30%. Uns viel gleich bei der Ankunft in Seremban auf, dass wir die einzigen Touristen hier sind. Zwei weiße Elefanten eben.
Am zweiten Tag lernten wir Herrn Chin Muk Sun, 8. Dan, Vizepräsident der Malaysischen Karate Vereinigung, kennen. Wir verbrachten zusammen den ganzen Vormittag und sprachen viel über Unterschiede zwischen den Stilrichtungen Shotokan und Saibukan (Bild 1). Es wurden alle Informationen rund um das Karate ausgetauscht. Chin Muk Sun machte uns das Angebot in Seremban sowie auch Melaka zu trainieren. So pendelten wir immer von Seremban nach Melaka, um an den Trainingseinheiten teilzunehmen.

Gleich vor dem ersten Training merkten wir, dass das Training anders sein wird. Es herrschte in den Abendstunden noch eine Raumtemperatur von 32 Grad mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Das Aufwärmen war für mich schon gar nicht mehr nötig. Ich schwitze schon beim Eintritt in das Dojo. In dem Dojo von Seremban aber auch Melaka startete man gleich zu Beginn mit Dehnübungen. Anschließend folgten 20 Minuten Kihon sowie Katatraining. Bis auf ein paar Abweichenden Techniken sind die SeibukanHeian-Katas gleich wie im Shotokan Karate. Der Hauptschwerpunkt lag auf dem Kumitee.
Hauptschwierigkeiten für mich bereiteten die hohe Temperatur, Luftfeuchtigkeit aber auch Zeitumstellung. Das Atmen fiel mir nach hohen Anstrengungen schwer. Die Ruhepausen verlängerten sich. In Deutschland fällt es mir leicht 20 Minuten Kihon am Stück zu absolvieren. In Malaysia hatte ich mit 10 Minuten schon Probleme. Meine Muskeln verkrampften schneller und ich bekam weniger Luft. Die Symptome besserten sich aber zum Ende des Urlaubs, da ich mich an das Klima sowie die Zeitumstellung gewöhnt hatte.
Die Ernährung hatte zudem auch eine starke Auswirkung auf das Training. Da wir uns nur unter Chinesen aufhielten, war das Essen chinesisch ausgerichtet. Aber: Chinesisches Essen in Malaysia ? chinesisches Essen in Deutschland! Ich aß nur noch und stellte keine Fragen mehr darüber, was ich da aß.
Ein unvergessliches Training bekam ich von Herrn Lau Puan Long, 7. Dan, Stellvertretender Vizepräsiden der Malaysischen Karate Vereinigung. Er beobachtete mich im Laufe der Trainingseinheiten und ermittelte meine Schwächen. Er überprüfte meine Stände, Blöcke, Schlag- und Tritttechniken. Dann bestellte er mich in das Dojo mit der Mitteilung, das er mir alles Wichtige, was ich für mein persönliches Karate brauche, zeigen will. Er nahm sich hierzu 90 Minuten persönlich Zeit. Wir gingen Stände, Blöcke, Schlag- und Tritttechniken durch. Er zeigte mir, wie ich mich bewegen, atmen und denken sollte. Eine Priorität lag ebenfalls auf dem Schnelligkeitstraining.
Ich merkte, dass es hier nicht nur auf die Technik, sondern auch auf die Trainings-Philosophie ankam. Sein Motto: Trainiere nur, wenn du 100% körperliche und geistige Leistungsfähigkeit besitzt.
Das Schnelligkeitstraining war abenteuerlich. Ich bekam einen feuchten Lappen in die Hand und sollte diesen wie eine Peitsche an die Wand knallen lassen. Ich war hier aber zu langsam, so dass dieser aber nur an die Wand klatschte. Als weitere Übung baute Herr Laue Kerzen auf, welche ich mit Schlägen und Tritten zum Erlöschen bringen sollte. Zweimal habe ich es geschafft, mit einem Faustschlag die Kerzen zum Erlöschen zu bringen. Ich muss noch viel üben
Lau Puan Long ist eine sehr charismatische Persönlichkeit. Er verstand es auch, auf mich einzugehen und mir Tipps für mein Training zu geben. Jedes Mal, wenn er mir etwas erklärte ,endete er damit: „Rene remember in this“. Am Schluss sagte er nur noch : „If you forgot come back!“

Die Freizeit (Einige Bilder)



Der hinter mir liegende Urlaub war für mich eine interessante Erfahrung. Ich trainierte unter den klimatischen Bedingungen Malaysias und ernährte mich komplett chinesisch. Außerhalb eines touristischen Zentrums lebte ich unter Chinesen und lernte dadurch die Kultur kennen. Ich lernte viele neue Freunde kennen, welche an dem Shotokan-Stil ebenfalls so interessiert waren wie ich an ihrem Stil. Die malaysischen Chinesen waren mir gegenüber sehr aufgeschlossen. Es war sehr einfach mit ihnen in das Gespräch zu kommen. Barrieren existierten nicht. Englisch war für die Kommunikation aber unabdingbar.
Durch den Kontakt zu Chin Muk Sun, Chien Kok Kheong und Lau Puan Long wurde eine Basis für einen weiteren Austausch geschaffen. Das Angebot wurde von Chien Kok Kheong und Lau Puan Long unterbreitet, dass eine Kleingruppe für zwei Wochen in Malaysia in den Dojos Seremban und Melaka trainieren kann. In der Freizeit können Besichtigungen von interessanten Orten wie Kuala Lumpur, Melaka oder Fahrten an den Strand oder Jungel vorgenommen werden. Auch besondere Kurzreisen, wie z.B. die Besichtigung einer Teeplantage mit Übernachtung, wären möglich. Derartige Kurzreisen können vor Ort kurzfristig in Malaysia geplant und durchgeführt werden.
